
Wenn der Satz „In der DDR war nicht alles schlecht“ fällt, dann darf, ja muss damit zuerst dieses Haus gemeint sein: das Kino International. An der Karl-Marx-Allee, schräg gegenüber vom Café Moskau, zwischen jenen Wohnkomplexen, die für Menschen gedacht waren, die im alten Regime ein wenig gleicher als die anderen waren.
Das International ist die seltene Sorte Kino, die kein Programm abhakt, sondern ein Ereignis inszeniert. Ein Saal, rund 550 Plätze. Kein Saal 7, kein „Screen 12“. Ein Saal. Punkt. Der Blick sammelt sich, das Murmeln vor dem ersten Trailer hat noch Gewicht. Davor: der Barbereich, großzügig, schön – nicht dieser „Instagrammable“-Dekor, der nach dem dritten Foto seine Seele verliert, sondern ein Raum, der dich langsamer macht.
Früher war Kinogehen ein Anlass, auch im Osten: Schuhe geputzt, Jacke gebürstet, Treffpunkt unter den Leuchten. Heute ist vieles Entertainment auf Abruf – gut so, im Alltag. Aber es gibt Orte, die dem Alltag widersprechen, ohne elitär zu werden. Das International ist so ein Ort.
Und ja: Marktwirtschaftliche Errungenschaften haben Kino demokratisiert. Dinge, die einmal wie Luxus wirkten, sind näher gerückt. Das Paradoxe daran: Ausgerechnet ein Relikt aus einer anderen Zeit zeigt, dass „Event“ nicht gleich „Überteuerung“ heißen muss. Hier fühlt sich die Vorstellung größer an, ohne dich kleiner zu machen.
Derzeit ist das International geschlossen, es wird restauriert. Ein notwendiger Boxenstopp: Technik, Substanz, Atem holen. Hoffentlich nächstes Jahr, planmäßig 2026, gehen die Türen wieder auf. Dann schreiten wir nicht nur „in den Saal“, wie man so sagt. Wir gehen ein Stück in die Stadt zurück, in eine Zeit, in der eine gute Idee reichte: Licht aus, Fokus an.
Das Kino International bleibt damit ein Gegenentwurf zum Dauerrauschen: ein Raum, der nicht algorithmisch optimiert, sondern kuratiert ist – von Architektur, von Zeit, von Menschen. Und wenn der Vorhang wieder fällt, fällt er nicht nostalgisch, sondern notwendig.